„Der Projektmanager“
Es gibt ja so eine hartnäckige Vorstellung, dass ein Projektmanager alles wissen muss. Wirklich alles. Jedes technische Detail, jede Fachterminologie, am besten auch noch sämtliche historischen Entwicklungen des Themas, damit er jederzeit jedem im Team sagen kann, was er zu tun hat.
Kurz gesagt: Ein Projektmanager sollte also ein wandelndes Lexikon, ein Branchen-Papst und ein Superhirn in einer Person sein. Na klar. Und nebenbei kann er vermutlich auch noch Kaffee kochen, drei Programmiersprachen aus dem Stegreif runterrasseln und spontan den Business-Case in fünf Excel-Tabellen tanzen.
Der Dirigent spielt nicht jedes Instrument
Wer so denkt, erwartet vermutlich auch, dass der Dirigent einer Opernaufführung jede einzelne Geige, jede Trompete und das Fagott perfekt beherrscht – sonst kann er das Orchester ja gar nicht sinnvoll anleiten!
Merken Sie was? Kompletter Unsinn.
Der Dirigent weiß, wie Musik funktioniert, er kann Noten lesen, er erkennt, wenn etwas aus dem Takt läuft – aber er stellt sich nicht mitten in der Aufführung hin und übernimmt mal eben das Solo auf der Oboe, weil der erste Oboist Schnupfen hat.
Und genau das macht den Unterschied zwischen einem Dirigenten und einem Universalgenie. Ein perfektes Beispiel für ein Universalgenie, das sich in alles einmischte? Richard Wagner.
Wagners Kontrollwahn: Der Projektleiter, der alles selbst machen wollte
Wagner war nicht nur Komponist – er war auch Dichter, Dirigent, Bühnenbildner, Regisseur und Finanzverwalter. Und genau das führte zu jeder Menge Chaos. Sein Größenwahn bei den Bayreuther Festspielen war legendär: Er wollte jedes Detail bestimmen – von der Lichttechnik bis zum letzten Pinselstrich des Bühnenbilds. Das Ergebnis? Ein katastrophaler Zeitplan, explodierende Kosten und Musiker, die am Rand des Wahnsinns standen.
Das erinnert doch stark an Projekte, in denen ein Manager meint, alles selbst machen zu müssen – und sich dabei in Details verliert, während das große Ganze aus den Fugen gerät.
Mozart – der geniale Dirigent
Wolfgang Amadeus Mozart hingegen wusste, dass er nicht alles allein machen kann. Seine Opern leben von einem perfekten Zusammenspiel aus Musik, Text und Inszenierung – und er verstand es meisterhaft, mit Librettisten, Musikern und Theatermachern zusammenzuarbeiten.
Hätte Mozart sich bei „Die Zauberflöte“ in jedes Kostüm-Detail oder die Bühnentechnik eingemischt, wäre das Stück vermutlich nie fertig geworden. Stattdessen konzentrierte er sich auf seine Stärke – die Musik – und ließ andere ihre Arbeit machen.
Genau das unterscheidet einen guten Projektmanager von einem gescheiterten Perfektionisten: Er delegiert, er vertraut seinem Team und sorgt dafür, dass das Orchester gemeinsam spielt – anstatt selbst jede Geige einzustimmen.
Fachwissen? Ja. Fachidiotie? Nein.
Natürlich ist eine solide Ausbildung in der jeweiligen Branche hilfreich. Fachspezifisches Vokabular, ein generelles Verständnis der Abläufe – prima. Aber ein Projektmanager, der meint, alles besser zu wissen als seine Experten, ist nichts weiter als ein Wagner auf dem Höhepunkt seines Kontrollwahns.
Denn sobald er anfängt, sich in die Facharbeit einzumischen, wird’s kritisch. Wer sorgt dann für die Harmonie im Orchester? Wer hält den Zeitplan zusammen? Wer verhindert, dass die Stakeholder schreiend aus dem Saal rennen?
Ein Kammerkonzert – also ein kleines Projekt – lässt sich vielleicht noch vom Flügel aus leiten. Aber große Vorhaben funktionieren anders.
Fazit: Ein Dirigent, kein Universalgenie
Ein Projektmanager muss nicht alles wissen – er muss wissen, wen er fragen und beauftragen muss. Er hält den Laden zusammen, sorgt für klare Kommunikation und bringt sein Musikstück sicher über die Bühne.
Wer glaubt, dass er jeden Job im Team selbst machen könnte, ist vermutlich größenwahnsinnig. Alle anderen halten sich lieber an die Profis – und lassen den Dirigenten dirigieren, anstatt ihm ein Instrument in die Hand zu drücken.
Denn seien wir ehrlich: Niemand will ein Wagner-Chaos – aber jeder liebt eine perfekt inszenierte Mozart-Oper.