Die richtigen Stimmen im Chor – Stakeholder-Management als Kunst der frühen Harmonie

Stakeholder

Man stelle sich eine Opernproduktion vor: Die Bühne im Halbdunkel, das Orchester zupft nervös an den Saiten, im Saal raschelt Erwartung – doch auf der Bühne? Reine Kakofonie. Die Sopranistin inszeniert sich als tragische Heldin, der Tenor will Comedy-Operette, und der Bühnenbildner hat ein expressionistisches Gesamtkunstwerk geplant – leider ohne Rücksprache. Der Dirigent? Ratlos. Der Regisseur? In Klausur. Und das Publikum? Zwischen Fassungslosigkeit und Fluchtreflex. Was hier fehlt, ist keine Inspiration – sondern Koordination. Willkommen im Albtraum jedes Projektmanagers: Stakeholder ohne Plan.

Wer gehört eigentlich zum Ensemble?

In der Oper ist klar: Da gibt es nicht nur Solisten, sondern ein ganzes Universum an Mitwirkenden. Sänger, Musiker, Regie, Maske, Technik – und nicht zu vergessen: das Publikum, das am Ende entscheidet, ob es Rosen regnet oder Regenponchos. Auch im Projekt ist das Line-up ähnlich bunt:

  • Der Auftraggeber – der Intendant der Unternehmung, der Geld, Macht und Meinung beisteuert.
  • Das Projektteam – die Künstlerseelen, die aus Vision Wirklichkeit machen.
  • Kunden & Endnutzer – das Publikum, das nicht nur klatscht, sondern mitredet.
  • Lieferanten & Partner – von der Bühnenbaufirma bis zur Kaffeeküche.
  • Interne Stakeholder – Kolleg*innen aus anderen Abteilungen, die plötzlich ganz genau wissen, wie dein Projekt „eigentlich“ laufen müsste.

Und jetzt die Gretchenfrage: Wer bringt all diese Stimmen in Einklang?

Stakeholder-Management: Die geheime Dramaturgie hinter dem Vorhang

Frühzeitig, sensibel und strategisch – so lautet das Credo. Wer seine Stakeholder erst dann fragt, wenn der dritte Akt begonnen hat, darf sich nicht wundern, wenn plötzlich jemand mit einer neuen Hauptrolle um die Ecke kommt.

Mozart hat es vorgemacht: In «Die Zauberflöte» werden Tamino und Pamina erst ins Chaos gestürzt, dann aber elegant ins große Ganze integriert. Sarastro weiß, dass man nicht nur mit Licht arbeiten kann, wenn vorher keiner die Schalter kennt. Und siehe da – Happy End, stehender Applaus, Goldene Opernurkunde.

Wotan aus Wagners Ring dagegen? Plant Großes, baut Walhall – vergisst aber, die Verträge ernst zu nehmen. Die Folge: Streit, Flüche, Drachen, Weltuntergang. Stakeholder-Management sieht anders aus. Lektion gelernt? Hoffentlich.

Und Verdis Don Carlos? Ein wahres Paradebeispiel für toxische Kommunikation: Ein König, der glaubt, alles allein entscheiden zu können, während rundherum jeder heimlich sein eigenes Spiel spielt. Ergebnis: Intrigen, Verrat, Tränen in Moll. Projektziel verfehlt. Operngold verspielt.

Stakeholder-Analyse – nicht als Excel-Liste, sondern als Beziehungspartitur

Wer früh wissen will, wie das Ensemble tickt, muss zuhören, beobachten und klug orchestrieren. Kein Abhaken, sondern echtes Einfühlen. Denn hinter jeder Rolle steckt ein Mensch mit eigenen Zielen, Sorgen – und manchmal einem Ego in Helden-Tenor-Lautstärke.

Was muss man früh klären?

  • Wer spielt mit? (Und wer denkt, dass er mitspielen sollte?)
  • Was wollen sie wirklich? (Anerkennung? Einfluss? Kuchen?)
  • Wie viel Macht haben sie? (Und wann sollte man ihnen besser aus dem Weg gehen?)
  • Wie kann man sie einbinden, ohne dass sie das Dirigat übernehmen?

Ein echtes Projekt ist schließlich kein Wunschkonzert – aber auch keine Solonummer.

Fazit: Ohne Chorprobe kein Gesamtkunstwerk

Ein Projekt, in dem alle Beteiligten ihre Rolle verstehen, sich gehört fühlen und am richtigen Takt mitwirken, ist wie eine gut geölte Opernmaschinerie. Keine Missverständnisse, keine plötzlichen Auftritte aus der Kulisse, keine überraschenden Anforderungen kurz vor der Premiere.

Wer Stakeholder frühzeitig integriert, schafft nicht nur Vertrauen – er baut ein Ensemble, das gemeinsam auf die große Bühne zusteuert. Und am Ende? Da erklingt nicht nur der Schlussakkord, sondern auch der Applaus. Und vielleicht, wenn’s richtig gut lief, sogar eine kleine Zugabe.