Den Takt definieren und halten – Zeitliche Planung

In der Oper ist Timing alles. Eine Arie mag noch so brillant sein – wenn das Orchester zu früh einsetzt oder die Sängerin ihren Einsatz verpasst, gerät das ganze Stück aus dem Takt. Genauso verhält es sich im Projektmanagement: Aufbauend auf der «Work Breakdown Structure (WBS)» muss eine präzise zeitliche Planung erfolgen. Hier spielen Abfolgen, Abhängigkeiten und der kritische Pfad eine entscheidende Rolle.

Die richtige Abfolge – Kein Finale vor dem ersten Akt

Jede Oper folgt einer dramaturgisch sinnvollen Reihenfolge. Der erste Akt setzt die Geschichte in Gang, Konflikte entfalten sich im zweiten Akt, und erst am Ende kommt das große Finale. So verhält es sich auch bei Projekten: Die Arbeitspakete müssen in einer sinnvollen Reihenfolge geplant werden. Man kann keine Bühnenbilder bemalen, bevor die Kulissen gebaut sind, und keine Proben mit dem Orchester ansetzen, wenn die Partituren noch nicht gedruckt wurden.
Ein klassisches Beispiel für eine misslungene Abfolge war die Pariser Uraufführung von Wagners „Tannhäuser“ im Jahr 1861. Aufgrund von Zeitdruck wurden Probenplanungen unkoordiniert durchgeführt, die Sänger waren schlecht vorbereitet, und am Ende kam es zu einem Fiasko – ein perfektes Beispiel dafür, was passiert, wenn die Reihenfolge nicht stimmt.

Abhängigkeiten – Wenn eine Stimme den Einsatz verpasst

In der Musik gibt es Passagen, in denen ein Instrument erst nach dem Einsatz eines anderen beginnen kann. Ein Trompetensignal kann beispielsweise den Start einer Chorszene einleiten. In Projekten gibt es solche Abhängigkeiten ebenfalls: Manche Aufgaben können erst begonnen werden, wenn andere abgeschlossen sind. Dies nennt man sequenzielle Abhängigkeiten.
Ein berühmtes Beispiel aus der Operngeschichte ist Giuseppe Verdis „Aida“. Die aufwendige Inszenierung mit ihren monumentalen Bühnenbildern war stark von der rechtzeitigen Fertigstellung der Pyramiden- und Tempelbauten abhängig. Wäre das Bühnenbild zu spät geliefert worden, hätte die gesamte Produktion verschoben werden müssen. Ähnlich verhält es sich in Projekten: Wenn ein Software-Entwicklungsteam eine Schnittstelle zu einem anderen System braucht, aber die Schnittstelle noch nicht existiert, gerät der gesamte Zeitplan ins Wanken.

Der kritische Pfad – Jeder Takt zählt

Der kritische Pfad im Projektmanagement beschreibt die längste Abfolge von abhängigen Aufgaben, die bestimmt, wie lange das gesamte Projekt dauert. Verzögerungen in einem dieser Schritte führen unweigerlich zu einer Verzögerung des gesamten Projekts. In der Oper entspricht dies den wichtigsten Meilensteinen, die nicht verschoben werden können: Wenn die Sänger erst drei Tage vor der Premiere anreisen, aber noch nie mit dem Dirigenten gearbeitet haben, ist die Katastrophe vorprogrammiert.
Die Uraufführung von Puccinis „Madama Butterfly“ ist beispielgebend für einen gestörten kritischen Pfad. Geplant war eine große Premiere an der Mailänder Scala – doch Puccini unterschätzte den Zeitaufwand für die Überarbeitung des Werks nach ersten Proben. Die Premiere geriet zum Desaster, da das Stück nicht ausgereift war. Eine realistische Planung mit ausreichender Pufferzeit hätte das verhindern können.

Die Kunst des richtigen Timings

Ob in der Oper oder im Projektmanagement – eine präzise Abstimmung der Abläufe ist essenziell für den Erfolg. Eine gut durchdachte zeitliche Planung sorgt dafür, dass alle Beteiligten zum richtigen Zeitpunkt bereit sind und es keine unerwarteten Verzögerungen gibt. Andernfalls droht das große Durcheinander – oder, wie in der Oper, ein Buh-Konzert statt eines Applauses zur Premiere!