Stellen Sie sich eine Opernproduktion vor. Die Bühne ist bereitet, das Orchester sitzt in den Startlöchern, doch die Sänger haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sie ihre Rollen interpretieren sollen. Der Dirigent ist nicht informiert, welches Konzept der Regisseur verfolgt, und der Bühnenbildner hat sich an einer völlig anderen Ästhetik orientiert. Das Chaos ist programmiert. So wie eine Oper nur funktioniert, wenn alle Beteiligten in die Planung einbezogen werden, verhält es sich auch im Projektmanagement: Wenn Stakeholder nicht von Anfang an berücksichtigt werden, droht das Projekt zu scheitern, bevor es richtig begonnen hat.
Wer gehört zum Ensemble? Die Stakeholder frühzeitig identifizieren
In einer Oper ist es offensichtlich, wer involviert ist: die Sänger, das Orchester, der Dirigent, die Bühnenbildner, das Kostümteam und natürlich das Publikum. Jeder dieser Akteure hat eigene Interessen und Einflussmöglichkeiten. Übertragen auf das Projektmanagement bedeutet das:
- Der Auftraggeber – vergleichbar mit dem Intendanten, der das Stück auf die Bühne bringen will.
- Das Projektteam – die Künstlerinnen und Künstler, die die Vision umsetzen.
- Endnutzer oder Kunden – das Publikum, das am Ende überzeugt werden muss.
- Lieferanten und externe Partner – Bühnenbauer, Kostümdesigner, Sponsoren.
- Interne Interessengruppen – andere Abteilungen, die von dem Projekt betroffen sind.
Bereits in der frühen Planungsphase sollten alle relevanten Stakeholder identifiziert und in die Entwicklung des Projekts eingebunden werden. Je früher diese Akteure berücksichtigt werden, desto besser lassen sich spätere Konflikte vermeiden.
Gelingendes und gescheitertes Stakeholder-Management: Opern als Lehrmeister
Mozarts „Die Zauberflöte“ zeigt, wie erfolgreiches Stakeholder-Management aussehen kann. Sarastro sorgt als weiser Herrscher dafür, dass alle Beteiligten ihre Rolle verstehen und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Selbst Tamino und Pamina, die zunächst unwissend in das Geschehen hineingezogen werden, werden behutsam an ihre Aufgabe herangeführt und in die Gemeinschaft integriert. Das Ergebnis? Harmonie, Ordnung und ein strahlender Sieg des Guten.
Ein weiteres positives Beispiel liefert Wagners „Der Ring des Nibelungen“. Wotan, als oberster Gott, erkennt in „Das Rheingold“, dass er ohne die Unterstützung von Handwerkern – in diesem Fall die Riesen Fasolt und Fafner – sein prächtiges Walhall nicht bauen kann. Doch weil er von Anfang an Vereinbarungen trifft (auch wenn er später versucht, sich herauszuwinden), entsteht ein mächtiges Bauwerk, das den Göttern lange als Heimat dient – bis er seine Stakeholder-Strategie später vernachlässigt und das gesamte System ins Wanken gerät.
Ein Gegenbeispiel liefert Verdis „Don Carlos“. König Philipp II. verkennt die Erwartungen seiner Umgebung, der Großinquisitor verfolgt eine eigene Agenda, und Don Carlos fühlt sich übergangen. Weil niemand auf eine übergeordnete Strategie hinarbeitet und zentrale Stakeholder ignoriert werden, endet das Drama in Verrat und Verzweiflung. Übertragen auf das Projektmanagement bedeutet das: Wenn Stakeholder nicht frühzeitig einbezogen werden, können Konflikte entstehen, die später nicht mehr aufzulösen sind.
Stakeholder in der Projekt-Charter verankern
Bereits bei der Erstellung der Projekt-Charter sollte eine Stakeholder-Analyse durchgeführt werden. Dabei geht es nicht nur darum, eine Liste mit Namen zu erstellen, sondern auch darum, die jeweiligen Interessen, Erwartungen und Einflussmöglichkeiten zu verstehen. Folgende Fragen helfen dabei:
- Wer sind die wichtigsten Stakeholder?
- Welche Interessen haben sie?
- Wie stark ist ihr Einfluss auf das Projekt?
- Wie können sie aktiv in den weiteren Prozess eingebunden werden?
Eine klare Strategie im Umgang mit Stakeholdern verhindert spätere Überraschungen. Denn nichts ist frustrierender, als wenn eine übergeordnete Instanz – sei es der Vorstand, ein Kunde oder eine externe Behörde – in der heißen Phase des Projekts neue Anforderungen stellt, die das gesamte Vorhaben ins Wanken bringen.
Fazit: Das Orchester der Interessen harmonisieren
Ein gut geplantes Projekt gleicht einer perfekten Operninszenierung: Jeder Beteiligte kennt seine Rolle, versteht die Gesamtvision und trägt seinen Teil zum Erfolg bei. Wer Stakeholder frühzeitig identifiziert, ihre Bedürfnisse analysiert und sie in die Projekt-Charter integriert, verhindert spätere Missverständnisse und Widerstände.
Denn was niemand möchte, ist eine Premiere, die mit Chaos und Buh-Rufen endet. Setzt man jedoch von Anfang an auf ein kluges Stakeholder-Management, steht einem erfolgreichen Projektabschluss mit begeistertem Applaus nichts im Wege.