«Ressourcen und Fachkräftemangel»
In der Opernwelt gibt es eine goldene Regel: Ein Stück kann nur dann glänzen, wenn alle Beteiligten zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Doch was passiert, wenn die Einsätze nicht sitzen? Wenn der Chor zu früh einsetzt, das Orchester noch beim Stimmen ist und der Hauptdarsteller sich gerade noch in der Maske befindet? Genau das passiert in vielen Projekten – und dann heißt es schnell: «Wir haben nicht genug Ressourcen!»
Doch ist das wirklich das Problem? Oder liegt die Wahrheit woanders?
Ein Drama in drei Akten – Wenn Ressourcen falsch verteilt werden:
Erster Akt: Der falsche Einsatz zur falschen Zeit
In Giuseppe Verdis «Aida» gibt es eine große Triumphpassage mit gewaltigem Chor und Orchester. Doch stellen wir uns vor, das Opernhaus hätte seine Ressourcen nicht richtig eingeteilt: Doppelt so viele Trompeter wie nötig, aber zu wenig Streicher, weil das Budget falsch priorisiert wurde. Das Ergebnis? Eine übertönte Melodie, ein ausgedünnter Streicherklang und eine Triumphpassage, die nicht triumphal klingt, sondern nach Notlösung.
Und genau so läuft es in Projekten:
- Teams sind überlastet, weil sie parallel an fünf Projekten arbeiten, während andere auf ihren Einsatz warten.
- Spezialisten werden für administrative Aufgaben «missbraucht», statt ihr Fachwissen optimal einzusetzen.
- Wichtige Stakeholder tauchen erst auf, wenn das Projekt längst ins Wanken geraten ist.
Es fehlen nicht die Ressourcen – sie werden nur ineffektiv verteilt.
Zweiter Akt: Wenn sich niemand um die Besetzung kümmert
Opernhäuser planen ihre Spielzeiten mit äußerster Präzision. Große Häuser wie die Metropolitan Opera in New York oder die Mailänder Scala wissen Jahre im Voraus, welche Produktionen laufen werden und welche Sängerer verpflichtet werden müssen.
Doch was wäre, wenn sie das nicht tun würden? Plötzlich müsste ein Bariton eine Tenorpartie singen, weil niemand vorher überprüft hat, ob die Besetzung passt. Oder das Orchester steht mit 20 Harfen, aber ohne eine einzige Klarinette da, weil sich niemand um die Detailplanung gekümmert hat.
In Projekten passiert das ständig:
- Experten werden in falschen Rollen eingesetzt, weil niemand ihre tatsächlichen Stärken kennt.
- Teams arbeiten an Aufgaben, die eigentlich automatisiert werden könnten.
- Entscheidende Positionen bleiben unbesetzt – bis es zu spät ist.
Es fehlen nicht die Ressourcen – sie werden nur schlecht geplant.
Dritter Akt: Das Chaos der Doppelbelastung
Nehmen wir Wagners «Der Ring des Nibelungen». Eine gigantische Inszenierung, die an vier Abenden über 15 Stunden dauert. Doch wie würde es aussehen, wenn das Orchester jeden Abend wechseln würde, weil die Musiker gleichzeitig in anderen Produktionen spielen? Wenn der Dirigent jedes zweite Konzert absagen müsste, weil er für eine andere Oper gebucht wurde?
Genau das passiert in Projekten, wenn Mitarbeiter auf zu viele Aufgaben verteilt werden. Multitasking mag verlockend klingen, aber in Wahrheit bedeutet es oft, dass nichts richtig gemacht wird.
- Meetings überschneiden sich, Deadlines geraten ins Rutschen, und die Qualität leidet.
- Die wichtigsten Fachleute springen zwischen Projekten hin und her, ohne irgendwo tief einzutauchen.
- Am Ende sind alle überarbeitet – aber das Ergebnis ist mittelmäßig.
Es fehlen nicht die Ressourcen – sie werden nur ineffizient eingesetzt.
Finale: Ressourcenmanagement ist keine Mathematik, sondern Kunst
Opernhäuser wissen, dass es nicht nur darauf ankommt, genug Musiker, Sänger und Techniker zu haben. Entscheidend ist, sie zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und mit der richtigen Rolle einzusetzen.
Genauso ist es im Projektmanagement. Nicht der Mangel an Ressourcen bringt Projekte ins Straucheln, sondern schlechte Planung und Priorisierung.
Oder um es mit Wagners Worten zu sagen: «Hier gilt’s der Kunst!»