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Premiere oder Spielzeit

Projekt vs. Programm

Wer einmal im Projektmanagement unterwegs ist, hat sicher schon diesen Satz gehört: «Ach, ein Programm ist doch einfach nur ein großes Projekt.»

Ein Projekt ist eine in sich abgeschlossene Produktion – ein Programm ist eine ganze Opernsaison. Der Unterschied ist nicht nur die Größe, sondern die Art, wie man sie managt.

Das Projekt: Eine einzelne Inszenierung

Ein Projekt ist wie die Premiere einer bestimmten Oper. Es gibt ein klares Ziel: Die Aufführung muss stehen. Der Projektmanager (a.k.a. der Regisseur) koordiniert alle Beteiligten, plant das Bühnenbild, sorgt für die richtigen Proben – und am Premierentag zählt nur eins: Das Publikum darf keinen Murks erleben.

Ein gutes Beispiel: Puccinis ‹Tosca› – eine klare Storyline, ein dramatischer Höhepunkt, und nach drei Akten ist das Schicksal besiegelt. Kein offenes Ende, keine parallelen Handlungsstränge. Das Projekt endet, wenn Tosca von der Engelsburg springt.

Das Programm: Die gesamte Spielzeit

Ein Programm ist die gesamte Opernsaison – eine Sammlung von Projekten, die zusammen ein übergeordnetes Ziel verfolgen. Es reicht nicht, eine ‹Tosca› auf die Bühne zu bringen, wenn daneben noch ‹Carmen›, ‹Die Zauberflöte› und eine Wagner-Trilogie inszeniert werden müssen. Hier geht es nicht nur darum, dass jede Inszenierung für sich gelingt, sondern dass sie sich gegenseitig ergänzen, die Ressourcen optimal genutzt werden und das Publikum am Ende eine kohärente Saison erlebt.

‹Das Rheingold› könnte als Einzelprojekt funktionieren – aber wenn es nicht in das große Ganze des Rings eingebettet ist, fehlt die Langzeitwirkung. Jede Oper des Zyklus ist für sich genommen ein Werk, aber erst das Zusammenspiel aller vier macht das Programm aus.

Programmmanagement heißt hier: Konsistente musikalische Leitmotive, ein stimmiges Regiekonzept, effiziente Nutzung von Bühne und Orchester über mehrere Aufführungen hinweg.

Die größten Unterschiede auf einen Blick

ProjektmanagementProgrammmanagement
OpernaufführungOpernsaison
Zeit der Aufführung klar definiert, mit festem TerminKann über längere Zeit laufen, mit fortlaufender Strategie
Premiere läuft fehlerfrei und begeistert das PublikumGesamtwirkung und nachhaltiger Erfolg der Saison
Wenig Raum für umfassende Änderungen nach StartAnpassungen über mehrere Projekte hinweg
Detaillierte Planung und UmsetzungStrategische Steuerung und langfristige Koordination

Warum Programme eben nicht nur große Projekte sind

Manche denken: ‹Na gut, dann nehmen wir einfach ein großes Projekt und splitten es in kleinere Teile.› Aber genau das ist der Denkfehler.

  • Ein großes Projekt hat ein einziges Ziel (Premiere von ‹Tosca›).
  • Ein Programm hat ein übergeordnetes Ziel, das durch mehrere Projekte erreicht wird (die gesamte Saison mit einem durchdachten Repertoire).

Wer ein Programm nur wie ein großes Projekt behandelt, wird Probleme bekommen. Denn plötzlich konkurrieren Projekte um Ressourcen, Akteure werden überlastet, und eine Inszenierung kann das gesamte Programm zum Kippen bringen.

Die ‹Ring›-Inszenierung von Frank Castorf an der Bayerischen Staatsoper.

  • Jedes Stück hatte eine eigene Stilrichtung – von DDR-Ästhetik bis Western-Optik.
  • Das Publikum wusste nicht mehr, ob es sich in einer zusammenhängenden Inszenierung oder in vier völlig unterschiedlichen Welten befand.
  • Das Ergebnis? Verwirrung, Kritik, und ein fehlendes Gesamtbild.

Ein Programmmanager hätte hier frühzeitig gesagt: «Moment mal, wie stellen wir sicher, dass das Ganze am Ende Sinn ergibt?»

Fazit: Wer die gesamte Bühne im Blick hat, gewinnt

Ein Projektmanager bringt eine einzelne Oper erfolgreich auf die Bühne – ein Programmmanager sorgt dafür, dass die ganze Saison ein Erfolg wird.

Kurz gesagt:

  • Projektmanagement ist das Dirigieren eines Konzerts.
  • Programmmanagement ist das Kuratieren eines gesamten Musikfestivals.